Ein Ort gegen Einsamkeit und Rückzug – 11.748 Menschen besuchten 2017 die Ravensburger Vesperkriche

Ute Valentin war die 100.000 Besucherin der Vesperkirche seit 2009. Sie kam am letzten Tag mit ihrem Lebensgefährten David Scherger (zweiter von rechts) zum Essen in die Vesperkirche. Die Organisatoren (von links) Gerd Gunßer, Harald Dubyk und Friedemann Manz überreichten ihr einen Geschenkkorb.

Nach zwanzig Tagen gehört nun auch sie der Geschichte an. Gestern ist die neunte Vesperkirche in Ravensburg zu Ende gegangen. Am letzten Tag kamen nochmals 618 Menschen in die evangelische Stadtkirche. Insgesamt 11.748 Gäste zählten die Verantwortlichen der Vesperkirche 2017, Harald Dubyk, Gerd Gunßer und Friedemann Manz. Dass die Ravensburger Vesperkirche im Schussental nicht mehr wegzudenken ist, zeigt auch eine weitere bemerkenswerte Zahl: Am Sonntag kaufte der 100.000 Gast seit 2009 eine Essensmarke in einer Vesperkirche im Schussental.

Der zweite Tag der Vesperkirche Ravensburg 2017 stellte Organisatoren, Ehrenamtliche und Gäste auf die Probe. In der Nacht zuvor war die Heizung in der Stadtkirche ausgefallen. Zudem waren die Toiletten eingefroren. Eisige Temperaturen nicht nur außen – auch in der Kirche wollte und konnte sich kaum einer ohne Mantel oder Jacke aufhalten. Es dauerte über einen Tag, bis die Kirche wieder einigermaßen warm war, auch Dank unbürokratischer und direkter Hilfe der Stadtverwaltung, des Deutschen Roten Kreuzes und der Ravensburger Feuerwehr. „Es war einfach richtig Klasse, wie die Hilfe hier anlief. Das hat mir richtig imponiert“, sagte Mitorganisator Gerd Gunßer vom Diakonischen Werk Ravensburg rückblickend.

11.748 Besucher 2017 haben die Vesperkirche Ravensburg besucht. Im Tagesschnitt waren 587 Besucher in der Kirche. Vor allem die dritte Woche sorgte mit 662 Besuchern täglich für eine stets gefüllte Vesperkirche. Ein Höhepunkt am letzten Tag war sicher der 100.000 Besucher in der Vesperkirche seit ihrem Start 2009. Ute Valentin aus Ravensburg war die Glückliche. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten David Scherger besuchte sie die Vesperkirche. Die Organisatoren überreichten ihr dafür einen Geschenkkorb.

Am letzten Tag der Vesperkirche schien der holprige Start der ersten Tage vergessen. Zu viele schöne, interessante wie bemerkenswerte Erlebnisse und Begegnungen hatten zwischenzeitlich die Vesperkirche 2017 geprägt. „Jedes Jahr ist einfach anders“, sagte Harald Dubyk von den Zieglerschen. Man plane zwar mit den Erfahrungen und Erkenntnissen der Vorjahre, und „dann schreibt jede Vesperkirche doch ihre eigenen Gesetze“. Dieses Jahr war geprägt durch die Baustelle in der und um die Stadtkirche. An vielen Dingen mussten die Organisatoren bei der Vorbereitung, aber auch während der Vesperkirche improvisieren. „Wichtig war uns aber, dass die Gäste eine schöne Vesperkirche vorfinden und erleben“, sagte Mitorganisator Friedemann Manz. An drei Tagen wurden die Besucher zur Essens- und Servicequalität befragt. „Wenn uns auch diese Zahlen vorliegen werden, wird sich der Rückblick auf 2017 komplettieren“, ergänzte Harald Dubyk. Das Gefühl sei aber gut, sagen die drei Organisatoren. Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp bezeichnete die Vesperkirche zu Beginn als einen „Ort gegen Einsamkeit und Rückzug“.

Mit rund 2200 Besuchern waren auch die acht Kulturveranstaltungen der Ravensburger Vesperkirche gut besucht, die für die Gäste keinen Eintritt kosteten. Mit knapp 600 Besuchern kamen bei dem Auftritt des Kabarettisten Uli Boettcher die meisten Menschen. Sie spendeten an diese Abend über 3500 Euro. Alle Kulturveranstaltungen brachten knapp 10.000 Euro an Spenden ein. Damit trugen die Künstler, die auf ihre Gage verzichteten, erheblich zum finanziellen Erfolg der Ravensburger Vesperkirche bei. Für das reine Spendenprojekt Vesperkirche gaben die Organisatoren 120.000 Euro als Spendenziel vor. Herausfordernd aber machbar, wie sie jetzt wissen: Kurz vor Ende waren über 113.000 Euro auf dem Konto. „Die letzten Tage sind da noch nicht verbucht“, sagte Harald Dubyk. Und so werde es wohl eine Punktlandung. Geld, das die Organisatoren für das Essen, die Heizkosten, für Handwerker und viele Dienstleitungen rund um die Vesperkirche dringend benötigen.

Zahlen, Daten, Fakten 2017

Seit 2009 organisieren das Diakonische Werk Ravensburg und die Johannes-Ziegler-Stiftung, die Stiftung der Zieglerschen in Wilhelmsdorf, die Vesperkirche gemeinsam. Bisher waren sie sechsmal in Ravensburg und dreimal in Weingarten zu Gast. Das aktuelle Organisationsteam mit Gerd Gunßer, Friedemann Manz und Harald Dubyk arbeitet seit Sommer 2013 zusammen. Gunßer ist seit Anfang an mit dabei und gehört so zu den Gründervätern der Vesperkirche im Schussental. 2017 waren rund 400 Ehrenamtliche für die Vesperkirche im Einsatz; macht zusammen 6300 Ehrenamtsstunden. Sie alle haben an zwanzig Tagen 11.748 Gäste bewirtet. Insgesamt produzierte die Neuland-Küche der Zieglerschen über 13.000 Portionen Essen. Drei Tage davon finanzierten Mitglieder der Stiftung Landzunge. Dazu gab es über 4000 Liter Getränke in Form von Wasser, Apfel- und Orangensaft. Exakt 2010 Liter oder umgerechnet über 10.000 Tassen Kaffee wurden gekocht und ausgegeben. Zudem wurden über 4000 Tassen Tee gereicht. Für die 2844 verkauften Vespertüten – jeweils bestückt mit belegten Broten und Äpfel – wurden insgesamt 200 Kilogramm Wurst, 200 Kilogramm Käse und 280 Kilogramm Butter verarbeitet. Dazu gab es unzählige süße Stücke und Kuchen, alle gespendet von örtlichen Bäckern. Vier Ärzte machten an 12 Tagen ehrenamtlich Dienst in der Vesperkirche. An sieben Tagen schnitten mehrere Frisöre über 60 bedürftigen Besuchern kostenlos die Haare. Sieben Bundes-, Landtags- und Europaabgeordnete – darunter auch Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha aus Ravensburg – unterstützten die Vesperkirche mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz. Ebenso der Ravensburger Landrat Harald Sievers, Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp und dessen Erster Bürgermeister Simon Blümcke.